Badische Zeitung vom Freitag, 13. August 2004


Die Gesinnung wird geprüft



Der Fall des Heidelberger Realschullehrers Csaszkóczy erinnert viele an den Radikalenerlass



HEIDELBERG. Michael Csaszkóczy wird wohl nicht Lehrer im baden-württembergischen Schuldienst werden. Zwar hat sich das Kultusministerium noch nicht festgelegt - aber vieles deutet darauf hin, dass gegenüber dem 33-jährigen Heidelberger die Zweifel an seiner Verfassungstreue überwiegen. Er ist, den Streit ums Kopftuch ausgeklammert, nach neun Jahren der erste Lehrer im Land, der vor seiner Einstellung als Beamter auf seine politische Gesinnung überprüft wird.


Von unserem Redakteur Wulf Rüskamp



Im Kultusministerium beeilt man sich mit dem Hinweis, dass dieser Vorgang mit dem Radikalenerlass, von den Kritikern "Berufsverbot" genannt, nichts zu tun habe. Seit 1979 gebe es bei Bewerbern für den öffentlichen Dienst keine Regelanfrage beim Verfassungsschutz mehr. Wohl aber gelte für Beamte weiterhin, wie das Ministerium erklärt, die Pflicht zur Verfassungstreue - und diese werde im Einzelfall bei Bewerbern überprüft, die Anlass zu Zweifeln geben.



Im Fall Csaszkóczy hatte das Innenministerium interveniert, als dieser sich im Sommer 2003 nach seinem zweiten Staatsexamen (Note 1,8) beim Oberschulamt Karlsruhe um eine Stelle an einer Realschule im Raum Heidelberg beworben hatte. Der Verfassungsschutz beobachtet ihn schon gut zehn Jahre lang, und Csaszkóczy hat ihm dafür reichlich Gelegenheit geboten: Seit seinem 18. Lebensjahr engagiert er sich in antifaschistischen Gruppen, in der Antikriegsbewegung, in der Verhinderung neonazistischer Veranstaltungen, für das Autonome Zentrum Heidelberg. Die Polizei hat ihn bei Demonstrationen oft verhaftet - aber alle Ermittlungsverfahren, berichtet er, wurden eingestellt.



Dennoch zweifeln Verfassungsschutz und Innenministerium, dass Csaszkóczy "die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt", wie es das Landesbeamtengesetz fordert. Offenbar teilt auch die Kultusministerin diese Zweifel: Annette Schavan hatte im Juni in Heidelberg dessen politisches Engagement öffentlich kritisiert. Auch ein "vertieftes Einstellungsgespräch" hat daran nichts geändert, in dem Csaszkóczys Mitgliedschaft in der Antifaschistischen Initiative Heidelberg und seine angeblich unzureichende Distanzierung von Gewalt eine zentrale Rolle gespielt haben sollen.



Inzwischen macht die linke Szene mobil, spricht vom Wiederaufleben des Berufsverbots und nennt das Vorgehen beider Ministerien "verfassungsungehörig". Die Grünen im Landtag haben sich eingeschaltet, und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft fordert die "sofortige Einstellung" Csaszkóczys als Lehrer für Deutsch, Geschichte und Kunst. Im Kultusministerium feilt man noch am Bescheid - womöglich muss er sich ja als "gerichtsfest" erweisen. Aber lange, heißt es, werde Csaszkóczy darauf nicht mehr warten müssen.