Bergsträßer Anzeiger - 05.01.2006

Prominente Stimmen gegen Berufsverbot

Internetkampagne gegen die Ablehnung des Realschullehrers Csaszkóczy / 1000 Unterschriften

Bergstraße.
"1000 Stimmen gegen Berufsverbote" war der Titel einer Internetkampagne gegen die politisch begründete Nicht-Einstellung des Heidelberger Realschullehrers Michael Csaszkóczy - zuerst in Heidelberg, später an der Martin-Buber-Schule in Heppenheim. Die 1000 Stimmen kamen innerhalb von nur zwei Wochen zusammen - ein Erfolg, der die Initiatoren vom "Solidaritätskomitee gegen Berufsverbot" selbst überrascht hatte.

Auch die Namen der Unterzeichner können sich sehen lassen: Zu den ersten, die gegen ein Berufsverbot unterschrieben haben, gehören die Musiker Franz Josef Degenhardt, Udo Lindenberg und Konstantin Wecker, die Holocaust-Überlebenden Peter Gingold und Esther Bejarano, die Bundesvorsitzende der Grünen, Claudia Roth, der Schauspieler und Übersetzer Harry Rowohlt, der Präsident der Internationalen Liga für Menschenrechte, Rolf Gössner, sowie zahlreiche weitere Personen aus Gewerkschaften, Politik, Kultur, Pädagogik und Wissenschaft. Die Spannbreite der Unterzeichnenden reicht dabei vom 90-jährigen Rentner bis zur 15jährigen Schülerin und von der Arbeitslosen bis zum Universitätsprofessor. Auch Bundestagsabgeordnete der Linkspartei haben mittlerweile unterschrieben. Das "Soli-Komitee" denkt jetzt über eine Fortsetzung der Kampagne nach, mit regionalen und themenspezifischen Schwerpunkten.

Die Intitiatoren der Internetkampagne befürchten einen Rückfall in die "Gesinnungsschnüfflei der 70er Jahre", so Stefan Riedel, in denen "politisch unliebsamen" Menschen - insbesondere linken Lehrern – der Zugang in den öffentlichen Dienst verwehrt wurde. Der so genannte "Radikalenerlass" ist ein Relikt aus der Zeit des Kalten Krieges, von dem bislang angenommen wurde, dass er seit über 20 Jahren der Geschichte angehört. Gegner sehen das Recht auf freie Meinungsäußerung in Gefahr, den Betroffenen droht die Arbeitslosigkeit. Auch Lehrerverbände und -gewerkschaften unterstützen den Widerstand gegen politisch motivierte Berufsverbote. Erst vor einigen Wochen forderte die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Kreis Bergstraße die sofortige Einstellung ihres Kollegen Michael Csaszkóczy, der sich in antifaschistischen Gruppen und in der Antikriegsbewegung engagiert hatte.

Fachlich nichts zu beanstanden

Der Fall des 35-jährigen Realschullehrers schlug hohe Wellen. Vom baden-württembergischen Kultusministerium wurde ihm die Einstellung verweigert, wegen "bestehender Zweifel an seiner Verfassungstreue". Mittlerweile hat sich das Land Hessen angeschlossen und Csaszkóczy ebenfalls abgelehnt - kurz bevor dieser einen entsprechenden Arbeitsvertrag an der Heppenheimer Martin-Buber-Schule unterschreiben konnte.

Fachlich war bei dem Realschullehrer, der die Fächer Deutsch, Geschichte und Kunst unterrichtet, nichts zu beanstanden, im Gegenteil: er wurde von der Schulleitung unter neun Bewerbern ausgewählt, man war mit seiner Arbeit zufrieden. Dafür schmeckte dem Kultusministerium nicht, wofür sich Csaszkóczy in seiner Freizeit engagierte. Als Organisator von Demonstrationen gegen Neonazis und gegen den Irakkrieg war er in der "Antifaschistischen Initiative Heidelberg" aktiv. Diese Initiative wird vom Verfassungsschutz beobachtet und als "linksextremistisch" bezeichnet. Verboten ist sie nicht. In einer Anhörung nützte es dem Betroffenen nichts, sich ausdrücklich von "Gewalt gegen Menschen oder Sachen" zu distanzieren. Als Bewerber biete er keine Gewähr dafür, "jederzeit voll einzutreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung", hieß es in der Ablehnung. Auch das Regierungspräsidium Karlsruhe sieht die Verfassungsfeindlichkeit Csaszkózys bestätigt, durch seine Mitgliedschaft in der "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten" und der "Roten Hilfe e.V.". Nicht der Staat muss die Verfassungsfeindlichkeit beweisen, sondern der Bewerber seine Verfassungstreue, wenn er verdächtigt wird. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hatte übrigens schon vor zehn Jahren Berufsverbote für menschenrechtswidrig erklärt.

Csaszkóczy klagt nun vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe. Der Klageweg kann allerdings Jahre dauern. Und auch bei einem juristischem Erfolg wäre seine berufliche Zukunft letztlich unsicher.


Der Wortlaut des Aufrufs und die Liste der Unterstützer sind im Internet unter www.gegen-berufsverbote.de unter der Rubrik "1000 Stimmen" einzusehen.


hbg