Radikalenerlass wirkt noch immer

Berufsverbot: In der Juli/August-Ausgabe berichteten wir über den Fall des Realschullehrers Micahael Csaszkóczy. Mit Antje Dörr sprach er darüber, wie es weitergeht.

B&w: Seit Ende August wissen Sie endgültig, dass das Kultusministerium Sie in Baden- Württemberg nicht als Lehrer arbeiten lassen möchte. Wie geht es Ihnen jetzt? Was sind Ihre beruflichen Pläne?

Csaszkóczy: Die Entscheidung des Kultusministeriums war natürlich ein schwerer Schlag. Mit dem ungewohnten Interesse an meiner Person und meinen politischen Aktivitäten umzugehen ist nicht einfach. Durch die Entscheidung des Kultusministeriums ist eine Situation entstanden, fühlt sich jeder berechtigt, auf Grund von zwei Halbsätzen, die Frau Schavan in der Presse verbreiten lässt, Urteile über meine politische Haltung abzugeben. Beruflich habe ich die Hoffnung und den Anspruch noch nicht aufgegeben. in dem Beruf zu arbeiten, den ich gelernt habe und den ich gerne ausübe. Ansonsten wird es bald Zeit mein Promotionsvorhaben wieder anzugehen, das im Moment völlig darniederliegt. Für den Fall, dass sich das Berufsverbotsverfahren lange hinzieht - was zu befürchten ist - möchte ich in jedem Fall trotzdem im wissenschaftlichen oder pädagogischen Bereich arbeiten. Bleibt zu hoffen, dass sich ein Aufgabengebiet findet, in dem nach meinen fachlichen und politischen Fähigkeiten gefragt wird und nicht danach ob ich politisch bequem bin.

B&w: Wie wehren Sie sich politisch und juristisch gegen das über Sie verhängte Berufsverbot?

Csaszkóczy: Zunächst einmal habe ich gegen die Entscheidung, die mir vom Oberschulamt mitgeteilt wurde, Widerspruch eingelegt. Über diesen Widerspruch hat die Kultusministerin zu entscheiden, die ja selbst maßgeblich an der Entscheidung beteiligt war. Insofern ist nicht damit zu rechnen, dass derWiderspruch zum Erfolg führen wird. Es ist zu hoffen, dass wir bald in die gerichtliche Klärung der Angelegenheit eintreten können. Derweil geht die Öffentlichkeitsarbeit weiter und es wir für den 23.10. zu einer Demonstration nach Heidelberg mobilisiert.

B&w: Gab es irgendwelche neueren Reaktionen vom Oberschulamt Karlsruhe bzw. vom Kultusministerium?

Csaszkóczy: Das Kultusministerium hat sich neben dem Entscheid, der meinem Anwalt zugestellt wurde, mit einer Presseerklärung an die Öffentlichkeit gewandt. Darin wird ein Satz aus dem Selbstverständnis der AIHD entstellend verkürzt wiedergegeben, um zu belegen, dass ich Militanz als Mittel der politischen Auseinandersetzung befürworten würde. Tatsächlich habe ich es abgelehnt, mich zu einer solchen Gesinnungsfrage so pauschal zu äußern, wie das von der Kommission des Oberschulamts von mir verlangt wurde. Von einer Kultusministerin hätte ich allerdings erwartet, dass sie sich zumindest im Duden über die Bedeutung des Wortes "militant" informiert. Die wird dort folgendermaßen wiedergegeben: "mit kämpferischen Mitteln für eine Überzeugung eintretend" und als Beispiele werden angeführt "eine militante Sozialistin, militante Pazifisten". Ich habe tatsächlich - insbesondere wenn es um den Kampf gegen alte und neue Faschisten geht - keinen Anlass, mich von Militanz in dieser Wortbedeutung zu distanzieren.

B&w: Von welchen Gruppen erhalten Sie Unterstützung? Wie konnte die GEW Ihnen helfen?

Csaszkóczy: An der Demonstration zeigt sich erfreulicherweise, dass das Ziel des Verfassungsschutzes, die Solidaritätsbewegung in "böse, linksextreme Radikale" und "gute DemokratInnen aus der Mitte der Gesellschaft" zu spalten, nicht gelungen ist. Eine Vielzahl von gewerkschaftlichen Gruppen ruft gemeinsam mit Angehörigen der radikalen Linken, der Roten Hilfe e.V. Und Bürgerrechtsgruppen dazu auf. Der GEW kommt dabei eine ganz entscheidende Rolle zu. Zum einen ist die Zusage der GEW, mir in diesem Fall Rechtsschutz zu gewähren, eine wichtige Vorbedingung, den Prozess überhaupt führen zu können. Von großer Bedeutung ist aber auch, der inhaltliche und politische Rückhalt durch die GEW. Immerhin werde ich die juristische und politische Auseinandersetzung mit dem Kultusministerium und dem Innenministerium zu führen haben. Da ist es wichtig zu erfahren, dass die gewerkschaftliche Solidarität nach wie vor ein tragfähiges Netz bildet.

B&w: Weshalb lässt der Staat eine relativ harmlose Initiative wie die AIHD vom Verfassungsschutz überwachen? Lässt sich ihrer Meinung nach aus diesem Vorfall eine Aussage über die allgemeine Verfassung unseres Staates ableiten? Ist eine Neuauflage des Berufsverbots zu befürchten?

Csaszkóczy: Tatsächlich beginnt der Verfassungsskandal nicht erst dort, wo die Kultusministerin die Wiederbelebung der antidemokratischen Berufsverbote betreibt. Mit einer Demokratie, in der völlig legales Engagement gegen Faschismus und Krieg eine über 15 Jahre hinweg währende Bespitzelung durch den Inlandsgeheimdienst nach sich zieht, stimmt meiner Meinung nach einiges nicht.

Die Gefahr, dass mein Fall Schule machen und eine neue Ära der Berufsverbote einleiten könnte, ist schon deshalb nicht von der Hand zu weisen, weil Frau Schavan ja offen danach strebt, bundesweit die Verantwortung für das Bildungswesen zu übernehmen. Dass der Radikalenerlass trotz seiner formalen Aufhebung bis heute Wirkung zeigt, kann ich nicht zuletzt aus den Reaktionen vieler Kolleginnen und Kollegen ersehen, die mir privat versichern, voll hinter mir zu stehen, aber Angst haben sich offen in diesem Sinn zu äußern. Ob Berufsverbote in Zukunft wieder zum deutschen Alltag gehören, wird nicht zuletzt von der Breite und dem langen Atem der Solidaritätsbewegung abhängen.

B&w: Herr Csaszkoczy, wir danken Ihnen für das Gespräch.