Analyse & Kritik, 17.9.2004



"Berufsverbot gegen aktiven Antifaschisten"

Die verschmitzt lächelnde Maus mit der Parole Sei keine Duckmaus - aktiv gegen Berufsverbote" zierte in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Westdeutschland viele Autos. In den letzten Jahren hat man sie vergessen. Doch die kämpferische Maus könnte bald eine Renaissance erfahren. Seit Ende August ist es amtlich: Der 33-jährige Michael Csaszkóczy darf auf Grund seiner Gesinnung in Baden-Württemberg nicht Realschullehrer werden. Schon seit Monaten hat sich diese Entscheidung abgezeichnet. Mitte Dezember 2003 wurde Csaszkóczy brieflich mitgeteilt, dass wegen Zweifeln an seiner Verfassungstreue eine Einstellung als Lehrer noch nicht möglich sei. Seitdem fragten auch liberale Medien, ob etwa in Baden-Württemberg die Berufsverbotspraxis wieder Einzug hält. Selbst Willy Brandt, der Vater dieser beschönigend Radikalenerlass" genannten Praxis, hatte diese später als Fehler bezeichnet.

Rund 3,5 Millionen Bewerberinnen für den öffentlichen Dienst wurden auf ihre Verfassungstreue durchleuchtet, 11.000 Berufsverbotsverfahren gestartet und rund 1.500 Bewerberinnen abgelehnt oder aus dem Staatsdienst entfernt. Besonders betroffen waren Mitglieder der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP), aber auch linke JungsozialistInnen, parteilose GewerkschafterInnen und PazifistInnen gerieten vor allem in Bayern und Baden-Württemberg ins Visier der Behörden und mussten oft jahrelang für ihre Einstellung in den Staatsdienst kämpfen. Es betraf LehrerInnen, JuristInnen, Postbeamte und EisenbahnerInnen, KinderpflegerInnen und Krankenhauspersonal. Proteste gegen diese Praxis der Gesinnungsprüfung gab es im In- und Ausland. Le Berufsverbot, dieser Begriff wurde damals ins Französische übernommen - wie Blitzkrieg und Kindergarten.

Der Kampf gegen Berufsverbote war in den 1970er und frühen 1980er Jahren ein wichtiger Bestandteil demokratischer Politik. Daran beteiligten sich Linke, Liberale und GewerkschafterInnen. Auch im westlichen Ausland gab es Solidaritätskomitees. Den dort Aktiven leuchtete nicht ein, warum in Westdeutschland ein Kommunist kein Briefträger oder Eisenbahnschaffner sein durfte, während Anfang der 1980er Jahre in Frankreich sogar der Verkehrsminister Mitglied der Kommunistischen Partei war.

Der Kampf der CDU gegen den ""Extremismus"

Höhepunkt der in- und ausländischen Proteste gegen die Berufsverbotspraxis war das sogenannte Russell-Tribunal, das unter den Wutgeheul der konservativen Medien und der regierenden sozialliberalen Koalition die Bedrohung der Demokratie in Westdeutschland untersuchte. In der Abschlusserklärung wurden auch die Berufsverbote verurteilt. Dass sie in den 1980er Jahren nicht mehr flächendeckend praktiziert wurden, ist sicherlich auch diesen Protesten zu verdanken. Allerdings hat der Radikalenerlass auch seine Zwecke erfüllt, indem er dazu beitrug, die rebellischen Teile der Generation Ende der 1960er Jahre weitgehend zu domestizieren.

Jetzt hat die Kultusministerin des Landes Baden-Württemberg, Anette Schavan (CDU), persönlich entschieden, im Fall Csaszkóczy an diese Praxis wieder anzuknüpfen. Wer Mitglied einer extremistischen Vereinigung sei und diese aktiv unterstütze, könne nicht Lehrer an einer öffentlichen Schule werden, erklärte die als Vertraute der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel geltende Ministerin. Der Grund für Csaszkóczys erzwungene Arbeitslosigkeit ist seine Aktivität in der Antifaschistischen Initiative Heidelberg (AIHD), die der bisher verhinderte Lehrer nie bestritten hat. Im Gegenteil, haben ihm doch seine politischen Aktivitäten in Heidelberg Anerkennung bis weit ins liberale Lager gebracht. Das blieb selbst dem Verfassungsschutz nicht verborgen, der Csaszkóczy mehr als zehn Jahre observierte. So war beispielsweise auf der Homepage des Verfassungsschutzes vermerkt, dass ich in der Heidelberger Volkshochschule referiert oder für die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes Stadtführungen durchgeführt habe", erklärte Csaszkóczy. Bei der Observation wurden seine politischen Aktivitäten akribisch ausspioniert. Beteiligung an Demonstrationen gegen deutsche Kriegseinsätze und neonazistische Aufmärsche wurden ebenso aufgelistet wie seine Mitarbeit an einer historischen Dokumentation über eine Widerstandsgruppe im Dritten Reich.

Mittlerweile hat sich der Widerstand gegen das Berufsverbot von Csaszkóczy ausgeweitet. Schülerinnen protestierten vor dem Büro der Kultusministerin Schavan, Unterschriften gegen seine Nichteinstellung wurden gesammelt, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) gewährt ihm neben der politischen Unterstützung auch Rechtsschutz. Auch das Komitee für Grundrechte und Demokratie sowie die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten (VVN/BdA) solidarisieren sich mit ihm. Für den 23. Oktober rufen sie und zahlreiche weitere Initiativen und Einzelpersonen zu einer Demonstration nach Heidelberg auf. Auf den Plakaten prangt wieder das kämpferische Nagetier, das keine Duckmaus sein will.

Berufsverbote bald wieder Normalität?

Für seine weitere berufliche Perspektive hat Csaszkóczy nur bescheidene Hoffnungen. Ich bin mir nach wie vor sicher, den richtigen Beruf gewählt zu haben: Ich arbeite gern mit Jugendlichen und unterrichte gerne. Im Moment bleibt mir nur zu hoffen, dass sich vielleicht auch außerhalb des schulischen Bereichs eine berufliche Perspektive eröffnet, wo nach meinen pädagogischen und fachlichen Fähigkeiten und nicht nach meiner staatsfrommen Gesinnung gefragt wird." Csaszkóczy sieht dabei durchaus die gesellschaftliche Bedeutung seines Falls: Ob Berufsverbote in Zukunft wieder zur Normalität werden, wird sicherlich sehr stark davon abhängen, ob es uns gelingt, eine breite Öffentlichkeit gegen die Wiederbelebung dieser antidemokratischen Waffe aus Zeiten des Kalten Krieges zu mobilisieren."

Peter Nowak