Antifaschistisches Infoblatt, Sommer 2007
Berufsverbot abgewiesen
Interview mit Michael Csaszkóczy
Michael Csaszkóczy wurde 1970 geboren und ist seit 1988 in der Antifa- und Antikriegsbewegung aktiv. Später engagierte er sich auch in der Roten Hilfe. Er studierte in Heidelberg und unterrichtete seit Ende 2002 an einer Realschule Geschichte, Kubst und Deutsch. Seit Ende 2003 ist er wegen Mitgliedschaft in einer Antifa-Initiative von einem Berufsverbot betroffen.
AIB: Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim, das oberste Verwaltungsgericht für das Land Baden-Württemberg hat im März 2007 das gegen dich verhängte Berufsverbot als Lehrer aufgehoben. Wir gratulieren. Was bedeutet dieses Urteil jetzt konkret für dich und was bedeutet es für die Versuche auch anderer Bundesländer, wie Hessen, die Praxis der Berufsverbote als Repressionsinstrumente gegen unbequeme Linke wiederzubeleben?
M. C.: Was das mittlerweile rechtskräftig gewordene Urteil für mich persönlich bedeutet,ist noch nicht ganz klar. Das Land Baden-Württemberg konnte durch das Gericht nicht verplichtet werden, mich einzustellen. Die Maßnahme ist aber für Unrecht erklärt worden und das Land muss nun neu
entscheiden. Es muss dabei allerdings rechtsstaatliche Grundsätze beachten. So hat der Verwaltungsgerichtshof beispielsweise klargestellt, dass die gesamte mittlerweile nun schon vierzehnjährige Bespitzelung durch den Inlandsgeheimdienst nichts erbracht hat, was geeignet wäre, auch nur Zweifel an meiner Verfassungstreue zu begründen. Das ist natürlich eine schallende Ohrfeige für den Verfassungsschutz. Zusätzlich müssen positive Aspekte - dazu hat das Gericht neben meinem tatsächlichen Verhalten im Unterricht ausdrücklich auch mein Engagement gegen Rechts gezählt - in die Abwägung mit einbezogen werden. Ginge es mit rechten Dingen zu, dürfte meine Einstellung und Entschädigung die einzige denkbare Konsequenz sein. Das bleibt aber abzuwarten. Das Verfahren in Hessen ist noch anhängig. Prinzipiell ist Bildung und damit auch die Einstellung von Lehrerinnen und Lehrern Ländersache. Hessen wird also eine eigenständige Entscheidung treffen müssen. Aber auch hier setzt das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs natürlich Maßstäbe für die anstehende Verhandlung. Meine tatsächliche Einstellung als Lehrer ist also noch keineswegs erreicht - insofern gibt es für die Solidaritätsbewegung keinen Grund,die Hände in den Schoß zu legen. Viel wesentlicher aber ist Folgendes: Das Urteil hat ausdrücklich nicht an den gesetzlichen Grundlagen der Berufsverbote gerührt. Die vage Formulierung, dass Angehörige des öffentlichen Dienstes "jederzeit Gewähr dafür bieten müssen, voll einzutreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung" ist weiterhin gültig. Somit ist auch die damit verbundene Umkehrung der Unschuldsvermutung gesetzlich gedeckt - nicht mir muss etwas nachgewiesen werden, dass ich ein Verfassungsfeind sei, sondern es liegt an mir, diesbezügliche Zweifel auszuräumen. Das Gericht hat nur in meinem Fall klargestellt, dass die Zweifel nicht begründet waren. Aber prinzipiell ist das antidemokratische Repressionsinstrument der Berufsverbote mit all seinen Begleiterscheinungen, mit Gesinnungsprüfungen und Gesinnungsprognosen nach wie vor im Repertoire staatlicher Möglichkeiten. Der Charakter der den Berufsverboten zu Grunde liegenden Gesetzen ist übrigens kein Zufall. Die Formulierungen stammen aus dem "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" mit dem die Nazis 1933 Jüdinnen und Juden sowie politische GegnerInnen aus dem Staatsdienst entfernten. Damals hieß es, in den öffentlichen Dienst dürfe nur, "wer jederzeit Gewähr dafür bietete, rückhaltlos einzutreten für den nationalen Staat".
AIB: Viele glauben die Praxis der "Berufsverbote" würde der Geschichte angehören oder kennen den "Radikalenerlass" nur als Relikt des kalten Krieges. Wie und wann kam es zu diesem Berufsverbot gegen dich und wie hast du darauf reagiert?
M. C.: 1973 wurde vom damaligen Bundeskanzler Willy Brandt mit den Ministerpräsidenten der Länder der sogenannte Radikalenerlass verabschiedet. Die zu Grunde liegenden Paragraphen waren nicht neu.
Schon unter Adenauer waren sie benutzt worden, um UnterstützerInnen der KPD und GegnerInnen der Wiederbewaffnung aus dem öffentlichen Leben auszuschalten und zu kriminalisieren. Ein Kapitel der BRD-Geschichte übrigens, das - wie auch das KPD-Verbot 1956 mit seinen massenhaften Inhaftierungen - nicht nur in Schulbüchern meist totgeschwiegen wird.
1973 richtete sich der Radikalenerlass gegen Angehörige der APO und UnterstützerInnen von DKP und K-Gruppen. Kurze Zeit zuvor hatte Rudi Dutschke das Schlagwort vom "Langen Marsch durch die Institutionen" in die Debatte geworfen. Man könnte auch anders formulieren: Es war der Aufruf, die verbrieften bürgerlichen und demokratischen Rechte die es in der BRD gab, beim Wort zu nehmen und auf diesem Weg eine Veränderung der Gesellschaft zu erreichen.
Die Vergiftung des politischen Klimas, die mit dem Radikalenerlass erreicht wurde, gipfelte in wahren Hexenjagden. Menschen bekamen Berufsverbotsverfahren, weil sie in einem Komitee gegen Berufsverbote mitarbeiteten, weil saie ihre Heiratsanzeige in der falschen Zeitung
veröffentlichten, weil Ihr Auto in der Nähe eines linken Treffpunkts registriert wurde. Niemand konnte mehr sicher sein, was denn noch erlaubtes Engagement war und was schon verfassungsfeindlich. Auf die Dauer hat das bei vielen Generationen von LehrerInnen Duckmäusertum und Entpolitisierung zur Regel werden lassen. Wer heute mit LehramtsstudentInnen spricht, kann die verheerenden Folgen noch heute sofort bemerken, obwohl die Berufsverbotspraxis seit 1986 der Vergangenheit angehörte - bis zu meinem "Fall". Viele StudentInnen fragen sich ernsthaft, ob sie denn noch auf Demonstrationen gehen dürfen, wenn sie den Lehrberuf anstreben.
In meinem Fall war es so, dass ich zu Weihnachten 2003 ein Schreiben bekam, es würden "Zweifel an meiner Bereitschaft bestehen, jederzeit voll einzutreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung" und ich wurde deshalb eingeladen zu einem "vertieften Einstellungsgespräch"
- noch so ein Euphemismus aus dem Wörterbuch des Unmenschen. Der Datenschutzbeauftragte hat mittlerweile gerügt, auf welche Weise das Kultusministerium überhaupt an die diesem Verhör zugrundeliegenden "Verfassungsschutzerkenntnisse" gekommen ist, die das Ergebnis einer mehr als zehnjährigen Bespitzelung waren. An meinem Verahren hat diese Tatsache aber nichts geändert. Letztlich ging es aber gar nicht um einzelne dieser "Erkenntnisse" (sie gaben auch nichts verfassungsfeindliches her), sondern um die Frage, ob ich der Antifaschistischen Initiative Heidelberg angehöre, mich zu ihr bekenne oder mich distanziere. Insbesondere sollte ich mich von zwei Aussagen distanzieren: Zum einen davon, dass Militanz unter bestimmten Bedingungen ein legitimes Mittel im Kampf um Befreiung sei und zum anderen von der Einschätzung, dass sich auf parlamentarischem Wege nichts Grundlegendes an Unterdrückungsverhältnissen ändern werde und deshalb außerparlamentarische Opposition nötig sei. Zu einer solchen Distanzierung war ich nicht bereit. Damit war für das Kultusministerium mein Berufsverbot im Grunde schon besiegelt.
Wichtiger als alles, was juristisch gelaufen ist, war aber die Mobilisierung der Öfffentlichkeit und die Initiierung einer Kampagne, die von einem denkbar breiten Bündnis getragen wurde. Bis dahin war es ein sehr mühsamer Weg, der viel Ausdauer und Nerven gekostet hat, aber heute wird die Solidaritätskampagne gemeinsam von autonomen und kommunistischen Gruppen über die Gewerkschaften bis hin zur Internationalen Liga für Menschenrechte getragen.
Alle zusammen mussten erst langsam und miteinander lernen, dass es bei solch massiven Angriffen auf Grundrechte nicht wichtig ist, ob man mit dem, den es da nun konkret trifft, in allen Punkten einer Meinung ist. Aber letzten Endes ist es der Solibewegung gelungen, eine Breite zu
erreichen, die auch Medien und Gerichte nicht mehr ignorieren konnten. Angesichts der Tatsache, dass Berufsverbote ja wesentlich darauf abzielen, zu spalten und zu stigmatisieren und isolieren, ist das tatsächlich ein großartiger Erfolg.
AIB: Du konntest nach Ansicht des Oberschulamtes als Realschullehrer und Antifaschist kein Gewähr dafür bieten jederzeit voll für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten, wie wurde das begründet und von wem ging die Initiative aus, dich nicht in den Schuldienst zu lassen?
M. C.: Warum es nun ausgerechnet mich getroffen hat, kann ich nicht beantworten. Klar ist aber, dass es den Behörden nicht um "Jugendsünden" ging, wie das immer wieder formuliert wurde, sondern um die Kontinuität des Engagements. Geläuterte Linke a la Joschka Fischer sind dem Staat allemal willkommen. Die Initiative für das Berufsverbot ging vom Verfassungsschutz aus, also von eben jenem Geheimdienst, dessen tiefe Verstrickung mit der Neonaziszene zuletzt beim Scheitern des NPD-Verbotsverfahrens offensichtlich wurde. Dass AntifaschistInnen einem solchen Verein
unliebsam sind, ist leicht zu verstehen. Bedenklich ist allerdings, wie unkritisch Ministerien und Gericht die Einschätzung dieses mehr als fragwürdigen Geheimdienstes als Maßstab akzeptiert haben. Die Argumentation lief so: Die AIHD wird vom Verfassungsschutz beobachtet. Der Verfassungsschutz darf nur extremistische Gruppierungen überwachen. Folglich muss die AIHD verfassungsfeindlich sein. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat mit seiner Bestätigung des Urteils im März 2006 noch einmal eins draufgesetzt: Dort ging es nicht mehr so sehr um meine angebliche Verfassungsfeindlichkeit, sondern um die Tatsache, dass die AIHD ein all zu negatives Bild unseres Staates zeichne, von dem sich dieser "diskriminiert fühlen könne". Zu allem Überfluss wurde dieser Sachverhalt an zwei Zitaten der AIHD belegt: Zum einen die Feststellung, dass es "zwischen Nationalsozialismus und BRD Kontinuitäten gegeben" habe und zum anderen die Darstellung "im Deutschland der 90er Jahre seien rassistische Übergriffe zur Normalität geworden". Beides sind unstrittige Aussagen, die man in jeder seriösen Geschichtsdarstellung finden wird. Die "Zeit" hatte damals sehr treffend konstatiert: "Das immerhin ist neu: dass Lehrer gehalten sind, sich vom Stand der historischen Forschung zu distanzieren".
AIB: Das Urteil ist zweifelsfrei auch ein politischer Erfolg der Solidaritätsbewegung gegen diese Berufsverbotspraxis, welche Solidarität hast du von wem erfahren, wie ist die politische Arbeit dazu gelaufen und was plant ihr als nächstes ?
M. C.: Ich finde es notwendig, die Aufmerksamkeit, die dieser Fall in der Öffentlichkeit erregt hat, zu nutzen, um die Abschaffung der gesetzlichen Grundlagen der Berufsverbote samt Beweislastumkehr und Gesinnungsprognosen zu kippen. Das ist eine politische und keine juristische Aufgabe. Eng damit hängt die Frage der Rehabilitierung und Entschädigung der Betroffenen aus den 70er und 80er Jahren zusammen. 35 Jahre nach Brandts Radikalenerlass ist es höchste Zeit, dieses Thema auf die Tagesordnung zu setzen.
Die Aufmerksamkeit für das Verfahren muss wachgehalten werden - letzten Endes ist unser Erfolg vor dem VGH Mannheim nur ein Teilsieg gewesen. Weiterhin läuft unsere Kampagne 10000 Stimmen gegen Berufsverbote im Internet. Jetzt ist es vor allem wichtig, die Breite der Solidaritätsbewegung, die von Roter Hilfe und radikalen linken Gruppen bis zu GEW und verdi reicht, zu erhalten und auszubauen.