Solidaritätsbeitrag für die Demonstration | 23.10.04 | Heidelberg
Weg mit dem Berufsverbot.
Michael Csaskóczy hat im Februar 2004 vom Kultusministerium Baden-Würtemberg Berufsverbot erhalten. Nach über 20 Jahren der erste öffentliche Fall, in welchem jetzt Michael – nach hunderten in den 70er und 80er – dem so genannten “Radikalenerlass“ zum Opfer fällt.
Ein Opfer indes ist Michael, der Realschullehrer mit ausgezeichneten Bewertungen durch seine Schülerinnen und Schüler, nicht. Vor allem das Fach Geschichte und seine hohe pädagogische und didaktische Kompetenz sind kein Zufall. Diese Fähigkeiten sind Ergebnis einer Einsicht in die Notwendigkeit, in einem Land wie der BRD gerade in Bezug auf die jüngere Vergangenheit eine hohe Sensibilität zu entwickeln. Bei Michael bleibt es eben nicht bei Lippenbekenntnissen oder der Forschung historischer Quellen zum deutschen Faschismus. Nein, er nimmt seine eigene Haltung ernst und ist seit 15 Jahren Aktivist der radikalen Linken und seit geraumer Zeit Mitglied der Antifaschistischen Initiative Heidelberg. Und das ist auch gut so.
Genau dies macht ihm die amtierende Kulturministerin Baden-Würtembergs zum Vorwurf. Soetwas muss geprüft werden. Die Damen und Herren Bürokraten laden zum Verhör und maßen sich an, einen wie Michael beurteilen zu können. Sicher verurteilen, aburteilen können sie ihn, dazu haben sie die Mittel und sitzen an der richtigen Stelle. Schavan fordert “Loyalität“ und hält die Mitgliedschaft in der AIHD sowie antifaschistisches Handeln und Denken für Besorgnis erregend.
Besorgnis erregend sind Leute wie Schavan, die Kadavergehorsam und eine kritiklose Hinnahme bestehender Gesetze und Bestimmungen fordern. Sie wollen Duckmäuser und kritiklose Geister hervorbringen. Die lassen sich dann einfach verwalten. Das ist nicht unsere Vorstellung von Lernen und Lehren. Wenn wir die Wahl hätten, in einer zukünftigen Gesellschaft zu bestimmen, wer und wie Geschichte unterrichtet wird, dann sind es genau Menschen wie Michael, die sich seit Jahrzehnten Fragen wie Faschismus und Antifaschismus intensiv widmen und hellen, wachen Geistes sind.
Was haben denn staatliche Stellen beispielsweise in den letzen Jahrzehnten an Errungenschaften bezüglich der Bildung in der Schule oder gar für die tiefer gehende Aufarbeitung der faschistischen Vergangenheit getan? Was waren denn die Konzepte zur Bekämpfung neonazistischer Banden in den Strassen oder gegen rassistisches Denken in den nachkommenden Generationen?
Das Stichwort PISA wirft zunächst ein Licht auf das grundsätzliche Niveau des Bildungssystems. Die Lehrpläne, in denen am Rande die Frage des Nationalsozialismus zwar erwähnt, aber faktisch im Unterricht meist umschifft wird ware ja offensichtlich bisher nicht Grundlage für eine antifaschistische Hilfestellung. Oder wieviele von euch haben einen fundierten Einblick in den historischen Faschismus durch Schulunterricht erhalten? Verschwindend gering dürfte da die Anzahl sein! Oder die Konzepte zur Bekämpfung der Neo-Nazis? Wer erinnert sich noch an die grandiose Idee der so genannten “aufsuchenden bzw. akzeptierenden Jugendarbeit“ Mitte der 90er Jahre seitens staatlicher Stellen. Ergebnis: Versagen auf ganzer Linie. Diese Arbeit finanzierte ganze Neonazi-Banden und stilisierte die Glatzköpfe zu Wendeverlierern. So ein Bullshit. Auch ganz offiziell gilt dieser Ansatz als total gescheitert.
Und was, frage ich euch, ist mit dem “Aufstand der Anständigen“? Verpufft ist er wie eine Seifenblase. Wo sind denn die halluzinierten Massen, die alle zivilcouragiert die Nazis aus den Strassen und den Köpfen entfernt haben? Wo denn? Ich sehe nur weiterhin Faschisten auf der Strasse und in Parlamenten, ich sehe immer perversere Gesetze gegen Flüchtlinge, Vorschläge für neue Abfanglager in Nordafrika, alles zusammengefasst unter dem Wort eines Sonntagsspazierganges: Flucht wird hier verharmlosend Zuwanderung genannt.
Was will eigentliche diese Schavan? Sie hat doch nichts zu bieten außer Einfordern hilfloser Loyalität für ein System, dass tagtäglich Leute ausbeutet, überwacht, diszipliniert, ausgrenzt und letztlich für überflüssig erklärt. Nichts hat sie anzubieten. Und dann fällt ihr nichts besseres ein, als einen konsequenten Antifaschisten wie Michael vor die Tür zu setzen? Hat sie die letzten Landtagswahlen in diesem Land nicht mitverfolgt?
Ich meine, diese Frau hat auf ganzer Linie versagt und gehört abgesetzt. Wer die einfachsten Zusammenhänge gesellschaftlicher Verhältnisse nicht erkennt, weil das ideologisch-christliche Brett vorm Kopf die Sicht einschränkt, sollte sich eine Auszeit nehmen und sich nochmals alles gründlich durch den Kopf gehen lassen!
Und Michael kann ich nur zurufen, jemanden wie dich hätten wir gerne beim Aufbau einer neuen Gesellschaft, jenseits des Kapitalismus dabei. Am besten wir fangen gleich an! Wie wäre es?
Schavan ist überflüssig.
Kapitalismus ist überflüssig.
Alles für alle.
Abschaffung der Lohnarbeit statt Berufsverbote!
Victor, ehemaliger Angeklagter im Terrorismusverfahren gegen die Autonome Antifa (M) 1994-96. Heute Aktivist in der Antifaschistischen Linken Berlin (ALB).