Junge Welt, 27.07.2012
»Ich
will, daß die Bespitzelung endlich aufhört«
Verfassungschutz beobachtet Lehrer weiter, der sich
erfolgreich gegen sein Berufsverbot gewehrt hat. Gespräch mit Michael
Csaszkóczy
Interview: Ralf Wurzbacher
Michael Csaszkóczy war wegen seines antifaschistischen
Engagements jahrelang mit einem Berufsverbot belegt, das der
Verwaltungsgerichtshof in Mannheim 2007 für nichtig erklärte. Heute arbeitet er
als Realschullehrer in der Nähe von Heidelberg
Sie führen eine Klage gegen das Bundesamt für
Verfassungsschutz (BfV) und das entsprechende Landesamt in Baden-Württemberg,
weil beide Behörden Sie auch nach Aufhebung Ihres Berufsverbots weiterhin
beobachten. Wie wird das Vorgehen begründet?
Sie erklären schlicht, die weitere Beobachtung meiner Person
sei zur »Aufgabenerfüllung« des Verfassungsschutzes notwendig. Im Klartext: Die
freiheitliche Grundordnung und die Sicherheit der Bundesrepublik wären
gefährdet, wenn ich nicht weiterhin ausgeforscht würde. Die »Erkenntnisse« des
VS, die wir einsehen durften – es sind bei weitem nicht alle – führen in erster
Linie an, daß ich mich öffentlich gegen mein Berufsverbot gewehrt und mich
generell für ein Ende der bundesdeutschen Berufsverbotspraxis ausgesprochen
habe.
Man behält Sie also im Visier, weil Sie sich gegen
eine Grundrechtsverletzung gewehrt haben – und das am Ende sogar erfolgreich …
Tatsächlich besteht ein Großteil der Schnüffelarbeit darin,
akribisch aufzulisten, wie ich mich gegen eine gerichtlich festgestellte
Grundrechtsverletzung gewehrt habe. Der Verwaltungsgerichtshof
Baden-Württemberg hatte letztinstanzlich in sehr deutlichen Worten formuliert,
daß es nicht nachzuvollziehen sei, wie meine offensichtlich vom Grundgesetz
gedeckten Aktivitäten überhaupt Erwähnung finden konnten. Und das Land
Baden-Württemberg mußte schließlich mit meiner Einstellung ebenfalls eingestehen,
daß keine Zweifel an meiner Verfassungstreue bestehen. Wenn der
Verfassungsschutz das alles für irrelevant erklärt, stellt er sich über Justiz
und Exekutive.
… und sammelt weiter eifrig Daten über einen aktiven
Antifaschisten?
Nicht nur das. Er weigert sich auch, die vom Gericht
inkriminierten Daten zu löschen, die er, seit mehr als 20 Jahren gesammelt hat.
Nach wie vor wird mir verwehrt, die vollständigen Daten einzusehen – von einer
tatsächlichen Akteneinsicht ganz zu schweigen. Wenn man bedenkt, wie beflissen
der Inlandsgeheimdienst in der letzten Zeit Akten geschreddert hat, die
neonazistische Mörder belasten könnten, ist das schon bemerkenswert. Es paßt
aber in die Traditionslinie dieses Amtes. Unter maßgeblicher Beteiligung alter
Nazikader gegründet hat der Verfassungsschutz schon immer seine Aufgabe darin
gesehen, linke Opposition zu diskreditieren und zu verfolgen. Und dabei war es
für ihn auch oft opportun, faschistische Bewegungen zu decken oder sogar zu
fördern.
Wie lange wehren Sie sich schon gegen Ihre
Beobachtung?
Im Jahr 2003 habe ich zum ersten Mal definitiv erfahren, daß
ich im Visier des Inlandsgeheimdienstes stehe. Seitdem stand der Kampf gegen
die ganz praktischen Auswirkungen dieser Bespitzelung – nämlich gegen mein
Berufsverbot – im Vordergrund. Nachdem dieser Kampf erfolgreich beendet ist,
finde ich es an der Zeit, an die Ursachen zu gehen. Ganz persönlich will ich,
daß die Bespitzelung endlich aufhört, die ja eine ganz massive Beeinträchtigung
meines Lebens bedeutet. Aber vor allem möchte ich, daß das gesellschaftliche
Klima der Einschüchterung und des Duckmäusertums, an dem der Verfassungsschutz
ganz massiven Anteil hat, beendet wird.
Haben Sie Anhaltspunkte, wie die Sache am Ende
juristisch ausgehen könnte?
Das ist nicht nur eine juristische Frage, sondern eine Frage
der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse, und ich halte an der Ansicht fest,
daß die veränderbar sind. Das sehen natürlich nicht alle so. Neulich saß ich
mit einem grünen Bundestagsabgeordneten auf einem Podium. Nachdem die Mikros
abgeschaltet waren, meinte er zu mir, die Forderung nach Abschaffung des
Inlandsgeheimdienstes sei ja womöglich berechtigt, aber in diesem Staat nun mal
nicht durchsetzbar. Ich sehe das anders.
Was passiert, wenn Sie juristisch unterliegen?
Dann haben wir es hoffentlich trotzdem geschafft, daß die
Machenschaften des Inlandsgeheimdienstes öffentlich diskutiert werden. Und ganz
gleich, ob dieser Prozeß juristisch mit einem Erfolg oder einer Niederlage
endet: Der Kampf für die Auflösung dieses Geheimdienstes wird weitergehen
müssen.