30.10.2012

 

Das Innenministerium Baden-Württemberg erklärt die Daten, die der ‚Verfassungsschutz’ gesammelt hat, zur ‚geheimen Staatssache’ die auch dem zuständigen Gericht nicht zugänglich gemacht werden kann. Insbesondere ist es um die Lebensqualität seiner Geheimdienstspitzel besorgt und erklärt, dass diese angesichts der besonderen Gewaltbereitschaft Csaszkóczys bei einer Enttarnung um ihr Leben fürchten müssten:

 

Innenministerium Baden-Württemberg

 

An das

Verwaltungsgericht Karlsruhe

 

 

 

Verwaltungsrechtssache Michael Csaszkoczy gegen Land Baden-Württemberg wegen Auskunftsersuchen

 

 

 

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,

 

 

 

das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat mit Schreiben vom 4. Februar 2013 das Lan­desamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg (LfV) aufgefordert, die Verfah­rensakte in der o.g. Verwaltungsrechtssache vorzulegen. Das LfV hat hierzu mit Schreiben vom 5. Juli 2013 gegenüber dem Innenministerium mitgeteilt, dass eine vollständige Vorlage nicht vertretbar sei und dies bezogen auf jede einzelne Aktensei­te dargelegt.

 

Das Innenministerium erklärt nach Prüfung der Sach- und Rechtslage als oberste Aufsichtsbehörde, dass Teile der Verfahrensakte geheimhaltungsbedürftig im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sind. Die vollständi­ge Vorlage der Akten an das Verwaltungsgericht Karlsruhe wird verweigert, da sie dem Wohl des Landes Nachteile bereiten würde. Dementsprechend wird eine Sperrerklärung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO abgegeben.

 

(...)

 

Das Geheimhaltungsinte­resse wurde gegen das private Interesse des Klägers an der Durchsetzung seines Auskunftsanspruchs und der von Amts wegen erforderlichen Sachverhaltsaufklä­rung durch das Gericht abgewogen. Dabei wurden alle Aspekte des Einzelfalles, insbesondere die Aktualität der betreffenden Angaben und der Grad einer mögli­chen Gefährdung für die zukünftige Aufgabenerfüllung des LfV im Falle einer Of­fenbarung, die Folgen der Zurückhaltung dieser Aktenbestandteile für die gerichtli­che Sachverhaltsaufklärung als einem wesentlichen Element des Rechtsstaats­prinzips und die Individualinteressen des Klägers berücksichtigt.

 

Im Rahmen der Abwägung war außerdem das Urteil des VGH vom 13. März 2007 (Az.: 4 S 1805/06) zu berücksichtigen. Diese Entscheidung hat keine Präjudizwir­kung auf die gesetzlich zulässige Beobachtung linksextremistischer und linksext­remistisch beeinflusster Organisationen, in denen der Kläger aktiv ist. Die Ausfüh­rungen des VGH zur Verfassungstreue des Klägers können auf das vorliegende Verfahren nicht übertragen werden, da sich die Rechtmäßigkeit der Speicherung des Klägers aus dem Landesverfassungsschutzgesetz ergibt und sich nicht nach dem Landesbeamtengesetz richtet. Bei Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung und der Be­rücksichtigung der Ausführungen des VGH ist das LfV ungeachtet der Frage, ob die Einstellungsvoraussetzungen in den öffentlichen Dienst hinsichtlich des Klä­gers vorliegen oder nicht, befugt, die für seine Aufgabenerfüllung erforderlichen personenbezogenen Daten zu speichern (§ 7 LVSG). Nach § 7 Abs. 1 Ziff. 1 i.V.m. § 3 Abs. 2 LVSG reichen für das Tätigwerden des LfV „tatsächliche Anhaltspunkte” für verfassungsfeindliche Bestrebungen aus. Diesbezüglich müssen konkrete und in gewissem Umfang verdichtete Umstände als Tatsachenbasis für den Verdacht vorliegen. Zur Annahme eines Verdachts kann ferner die Gesamtschau aller vor­handenen tatsächlichen Anhaltspunkte führen, wenn jeder für sich genommen ei­nen solchen Verdacht noch nicht zu begründen vermag (BVerwG, Urteil vom 21. Juli 2010, Az: 6 C 22.09).

 

Der Kläger ist im Zusammenhang mit linksextremistischen und linksextremistisch beeinflussten Bestrebungen, wie beispielsweise als Aktivist des „Roten Hilfe e.V.” (RH) und der „Antifaschistischen Initiative Heidelberg” (AIHD) aufgefallen. Bezüg­lich dieser Organisationen liegen tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen ge­gen die freiheitliche demokratische Grundordnung nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 in Verbin­dung mit § 4 Abs. 1 LVSG vor. Die Speicherung des Klägers erfolgte demnach auf Grund des Vorliegens tatsächlicher Anhaltspunkte für die Beteiligung an linksext­remistischen oder linksextremistisch beeinflussten Bestrebungen.

 

(...)

 

 

Schutz des Lebens, der Gesundheit oder der Freiheit natürlicher Perso­nen

 

Bei diesem Aspekt ist der Schutz derjenigen Person(en) und ihrer Angehöri­gen betroffen, die mit dem LfV zusammenarbeiten und ihm Informationen mit-teilen (Quellenschutz). Damit soll eine Identifizierung der Informationsquellen (Vertrauenspersonen, Gewährspersonen, Informanten) verhindert werden. Wenn die Identität dieser Quellen offengelegt wird, könnte es zu einer Ge­fährdung ihres Lebens, ihrer Gesundheit oder Freiheit kommen, da Aktionen Betroffener gegen die „Spitzel” zu befürchten sind. So ist insbesondere aus dem gewaltbereiten Spektrum linksextremistischer Bestrebungen mit soge­nannten „Outingaktionen” und tätlichen Angriffen zu rechnen. Allein das „Ou­ting”, d.h. das öffentliche Anprangern der Quelleneigenschaft, würde für die betroffenen Quellen bedeuten, dass sie in ihrem persönlichen Umfeld und ih­rer Existenz derart starken Belastungen ausgesetzt wären, dass sie in ihrer bisherigen Lebensführung massiv beeinträchtigt wären. Dem LfV liegen aktu­elle vertrauliche Hinweise vor, wonach der Kläger sich weiterhin nicht von Gewalt als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele distanziert. Bei tätlichen Angriffen, etwa durch sich solidarisierende Gesinnungsgenossen aus dem gewaltbereiten linksextremistischen Spektrum, ist eine Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit der Hinweisgeber zu befürchten.

 

Darüber hinaus würde eine Identifizierung der Quellen nicht nur diese gefähr­den, sondern auch die weitere Aufgabenerfüllung des Verfassungsschutzes stark beeinträchtigen. Neue Quellen wären wegen des mit einer Enttarnung verbundenen Vertrauensverlustes nicht mehr zu rekrutieren, die enttarnten Quellen könnten zur Informationsgewinnung nicht mehr eingesetzt werden.

 

Bei der Bewertung, mit welcher Wahrscheinlichkeit eine Enttarnung der Quel­len droht, kommt es darauf an, ob der Kläger möglicherweise auf Grund einer Gesamtschau der ihm gegenüber offen gelegten Informationen und einem Abgleich positiver und negativer Anhaltspunkte den Kreis der als Quellen in Frage kommenden Personen derart einengen könnte, dass eine Enttarnung oder gar Gefährdung der Quellen eintreten könnte.