Presseerklärung des Solidaritätskomitees 18.7.2016

Verwaltungsgerichte machen Klagen gegen den Verfassungsschutz aussichtslos

Der Heidelberger Realschullehrer Michael Csaszkóczy wird im Klageverfahren gegen den „Verfassungsschutz” nicht in Berufung gehen.

Csaszkóczy war von 2003-2007 wegen seines antifaschistischen Engagements zu Unrecht mit Berufsverbot belegt worden. Grundlage dafür waren die Akten, die aus einer mittlerweile über fünfundzwanzigjährigen Bespitzelung Csaszkóczys durch den Inlandsgeheimdienst stammen. Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim hatte daraufhin 2007 in seinem rechtskräftigen Urteil festgestellt, er könne „nicht nachvollziehen, dass die (bloße) Teilnahme an Veranstaltungen und Demonstrationen, die ersichtlich ebenso vom Grundgesetz gedeckt ist wie die freie Meinungsäußerung, überhaupt erwähnt wird”. Der Lehrer hatte deshalb Einsicht in die vom Verfassungsschutz gesammelten Daten verlangt und gegen seine fortdauernde geheimdienstliche Überwachung geklagt.

Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat mit Urteil vom 17. 06. 2016 dem Inlandsgeheimdienst in allen Punkten völlig freie Hand gelassen und Csaszkóczys Klage abgewiesen. Für den „Verfassungsschutz” – so die Richter – „gelten andere Rechtsmaßsstäbe als für die Regierung”. Schon wer die Verfassungswirklichkeit in der BRD kritisiere, müsse damit rechnen, geheimdienstlich überwacht zu werden. Das gleiche gelte für Menschen, die bereit seien, „politisch mit Kommunisten zusammenzuarbeiten”.

Den weiteren Rechtsweg hat das Verwaltungsgericht faktisch verbaut, obwohl – oder gerade indem – es formell die Berufung zuließ. Damit der Geheimdienst gegenüber der Wahrnehmung von Bürgerrechten abgeschirmt bleibt, dürfe Csaszkóczy keinesfalls alle über ihn gesammelten Daten sehen. Er könne aber nicht die Löschung von Daten verlangen, die er nicht genau benennen könne. In einem ähnlichen zynischen Zirkelschluss argumentiert das Verwaltungsgericht Köln im parallelen Verfahren gegen das 'Bundesamt für Verfassungsschutz'. Das VG Köln hat schon im Vorfeld der Verhandlung erklärt, eine volle Einsichtnahme in die Daten komme zum Schutz des Geheimdienstes nicht in Betracht.

Unter diesen Bedingungen ist ein rechtsstaatliches Verfahren gegen den Inlandsgeheimdienst faktisch unmöglich gemacht. Michael Csaszkóczy ist nicht bereit, den Anschein der Rechtsstaatlichkeit durch Fortführung des Prozesses aufrechtzuerhalten. Solange die politisch Verantwortlichen nicht bewegt werden können, dem so genannten „Verfassungsschutz” die grundgesetzlichen Grenzen aufzuzeigen, ist eine juristische Auseinandersetzung mit dem rechtslastigen Geheimdienst faktisch aussichtslos. Csaszkóczy wird deshalb in Baden-Württemberg nicht in Berufung gehen und die Klage gegen das Bundesamt für erledigt erklären.

Wir werden weiterhin politisch gegen einen Geheimdienst kämpfen, dessen tiefe Verstrickung mit der gewalttätigen Naziszene sich in immer neuen Skandalen bestätigt, der aber nach wie vor seine Hauptaufgabe in der Verfolgung und Kriminalisierung kritischer linker Opposition sieht. Die Gerichte sind als Austragungsort dieser Auseinandersetzung offensichtlich nicht geeignet.

Wir fordern die Auflösung des antidemokratischen Inlandsgeheimdienstes und eine Offenlegung der Spitzelakten gegenüber allen Betroffenen.

Für das Solidaritätskomitee

Carmen Hofmeister