30.10.2013
Das Innenministerium Baden-Württemberg erklärt die Daten,
die der ‚Verfassungsschutz’ gesammelt hat, zur ‚geheimen Staatssache’ die auch
dem zuständigen Gericht nicht zugänglich gemacht werden kann. Insbesondere ist
es um die Lebensqualität seiner Geheimdienstspitzel besorgt und erklärt, dass
diese angesichts der besonderen Gewaltbereitschaft Csaszkóczys bei einer Enttarnung
um ihr Leben fürchten müssten:
Innenministerium Baden-Württemberg
An das
Verwaltungsgericht
Karlsruhe
Verwaltungsrechtssache
Michael Csaszkoczy gegen Land Baden-Württemberg wegen Auskunftsersuchen
Sehr
geehrter Herr Vorsitzender,
das
Verwaltungsgericht Karlsruhe hat mit Schreiben vom 4. Februar 2013 das Landesamt
für Verfassungsschutz Baden-Württemberg (LfV) aufgefordert, die Verfahrensakte
in der o.g. Verwaltungsrechtssache vorzulegen. Das LfV hat hierzu mit Schreiben
vom 5. Juli 2013 gegenüber dem Innenministerium mitgeteilt, dass eine
vollständige Vorlage nicht vertretbar sei und dies bezogen auf jede einzelne
Aktenseite dargelegt.
Das
Innenministerium erklärt nach Prüfung der Sach- und Rechtslage als oberste
Aufsichtsbehörde, dass Teile der Verfahrensakte geheimhaltungsbedürftig im
Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sind. Die
vollständige Vorlage der Akten an das Verwaltungsgericht Karlsruhe wird
verweigert, da sie dem Wohl des Landes Nachteile bereiten würde. Dementsprechend
wird eine Sperrerklärung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO abgegeben.
(...)
Das
Geheimhaltungsinteresse wurde gegen das private Interesse des Klägers an der
Durchsetzung seines Auskunftsanspruchs und der von Amts wegen erforderlichen
Sachverhaltsaufklärung durch das Gericht abgewogen. Dabei wurden alle Aspekte
des Einzelfalles, insbesondere die Aktualität der betreffenden Angaben und der
Grad einer möglichen Gefährdung für die zukünftige Aufgabenerfüllung des LfV
im Falle einer Offenbarung, die Folgen der Zurückhaltung dieser
Aktenbestandteile für die gerichtliche Sachverhaltsaufklärung als einem
wesentlichen Element des Rechtsstaatsprinzips und die Individualinteressen des
Klägers berücksichtigt.
Im
Rahmen der Abwägung war außerdem das Urteil des VGH vom 13. März 2007 (Az.: 4 S
1805/06) zu berücksichtigen. Diese Entscheidung hat keine Präjudizwirkung auf
die gesetzlich zulässige Beobachtung linksextremistischer und linksextremistisch
beeinflusster Organisationen, in denen der Kläger aktiv ist. Die Ausführungen
des VGH zur Verfassungstreue des Klägers können auf das vorliegende Verfahren
nicht übertragen werden, da sich die Rechtmäßigkeit der Speicherung des Klägers
aus dem Landesverfassungsschutzgesetz ergibt und sich nicht nach dem
Landesbeamtengesetz richtet. Bei Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für
Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung und der Berücksichtigung
der Ausführungen des VGH ist das LfV ungeachtet der Frage, ob die
Einstellungsvoraussetzungen in den öffentlichen Dienst hinsichtlich des Klägers
vorliegen oder nicht, befugt, die für seine Aufgabenerfüllung
erforderlichen personenbezogenen Daten zu speichern (§ 7 LVSG). Nach § 7 Abs. 1
Ziff. 1 i.V.m. § 3 Abs. 2 LVSG reichen für das Tätigwerden des LfV
„tatsächliche Anhaltspunkte” für verfassungsfeindliche Bestrebungen aus.
Diesbezüglich müssen konkrete und in gewissem Umfang verdichtete Umstände als
Tatsachenbasis für den Verdacht vorliegen. Zur Annahme eines Verdachts kann
ferner die Gesamtschau aller vorhandenen tatsächlichen Anhaltspunkte führen,
wenn jeder für sich genommen einen solchen Verdacht noch nicht zu begründen
vermag (BVerwG, Urteil vom 21. Juli 2010, Az: 6 C 22.09).
Der
Kläger ist im Zusammenhang mit linksextremistischen und linksextremistisch
beeinflussten Bestrebungen, wie beispielsweise als Aktivist des „Roten Hilfe
e.V.” (RH) und der „Antifaschistischen Initiative Heidelberg” (AIHD)
aufgefallen. Bezüglich dieser Organisationen liegen tatsächliche Anhaltspunkte
für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung nach § 3
Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 LVSG vor. Die Speicherung des
Klägers erfolgte demnach auf Grund des Vorliegens tatsächlicher Anhaltspunkte
für die Beteiligung an linksextremistischen oder linksextremistisch
beeinflussten Bestrebungen.
(...)
Schutz des Lebens, der Gesundheit oder der Freiheit natürlicher Personen
Bei
diesem Aspekt ist der Schutz derjenigen Person(en) und ihrer Angehörigen betroffen,
die mit dem LfV zusammenarbeiten und ihm Informationen mit-teilen
(Quellenschutz). Damit soll eine Identifizierung der Informationsquellen
(Vertrauenspersonen, Gewährspersonen, Informanten) verhindert werden. Wenn die
Identität dieser Quellen offengelegt wird, könnte es zu einer Gefährdung ihres
Lebens, ihrer Gesundheit oder Freiheit kommen, da Aktionen Betroffener gegen
die „Spitzel” zu befürchten sind. So ist insbesondere aus dem gewaltbereiten
Spektrum linksextremistischer Bestrebungen mit sogenannten „Outingaktionen”
und tätlichen Angriffen zu rechnen. Allein das „Outing”, d.h. das öffentliche
Anprangern der Quelleneigenschaft, würde für die betroffenen Quellen bedeuten,
dass sie in ihrem persönlichen Umfeld und ihrer Existenz derart starken
Belastungen ausgesetzt wären, dass sie in ihrer bisherigen Lebensführung massiv
beeinträchtigt wären. Dem LfV liegen aktuelle vertrauliche Hinweise vor,
wonach der Kläger sich weiterhin nicht von Gewalt als Mittel zur Durchsetzung
politischer Ziele distanziert. Bei tätlichen Angriffen, etwa durch sich
solidarisierende Gesinnungsgenossen aus dem gewaltbereiten linksextremistischen
Spektrum, ist eine Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit der
Hinweisgeber zu befürchten.
Darüber hinaus würde eine Identifizierung der Quellen
nicht nur diese gefährden, sondern auch
die weitere Aufgabenerfüllung des Verfassungsschutzes stark beeinträchtigen. Neue
Quellen wären wegen des mit einer Enttarnung verbundenen Vertrauensverlustes nicht
mehr zu rekrutieren, die enttarnten Quellen könnten zur Informationsgewinnung
nicht mehr eingesetzt werden.
Bei
der Bewertung, mit welcher Wahrscheinlichkeit eine Enttarnung der Quellen
droht, kommt es darauf an, ob der Kläger möglicherweise auf Grund einer
Gesamtschau der ihm gegenüber offen gelegten Informationen und einem Abgleich
positiver und negativer Anhaltspunkte den Kreis der als Quellen in Frage
kommenden Personen derart einengen könnte, dass eine Enttarnung oder gar
Gefährdung der Quellen eintreten könnte.