In Antwort auf eine entsprechende Anfrage des Richters am Verwaltungsgericht erklärt sich Michael Csaszkóczys Anwalt bereit, auf das in-camera-Verfahren zu verzichten, das dem VG vollständigen Zugriff auf die immer noch vielfach geschwärzten und unvollständigen Akten hätte ermöglichen sollen. Im Hauptverfahren geht es ohnehin um die Offenlegung sämtlicher Daten, und das Gericht hatte erklärt, dass ihm die vorliegenden bruchstückhaften Akten für eine Entscheidung ausreichen.
Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
vielen Dank für Ihre Darlegungen vom 07.01.2075, zu denen ich für den Kläger bemerken möchte:
Ihre zusammengefasste Sachverhaltsdarstellung gibt aus unserer Sicht die wesentlichen Streitpunkte im Kern richtig wieder.
Wenn das Gericht sich in der Lage sieht, in der Sache zu entscheiden, so möge dies geschehen. Das ist das, was der Kläger mit seiner Klage anstrebt. Nachdem dieses Klageverfahren ins dritte . Jahr geht, ist es absolut begrüßenswert, dass zeitnah mündlich verhandelt werden könnte. Es möge ein Termin bestimmt werden. Gleichzeitig möge eine — kurze — Frist für letzte Stellungnahmen gesetzt werden.
Vor diesem Hintergrund hat der Kläger sich dazu entschieden, die Sperrerklärung nicht überprüfen zu lassen. Dabei steht im Vordergrund, dass dadurch eine erneute Verzögerung des Rechtsstreits um vermutet ein Jahr eintreten würde. Der Kläger nimmt den Antrag vom 18.03.2014 auf Überprüfung der Sperrerklärung zurück.
Grundsätzlich ist Ihnen zuzustimmen, dass für das In-camera- Verfahren kein gesonderter Beweisbeschluss von Nöten wäre. Dies würde aber die befürchtete weitere Verzögerung nicht wesentlich minimieren.
Eine Stellungnahme zur Frage des Ruhens des Verfahrens während des Zwischenverfahrens erübrigt sich aufgrund der obigen Ausführungen und der Rücknahme des Antrags gem. § 99 Abs. 2 VwGO.
Inhaltlich sollen schon jetzt, vor allem im Hinblick auf die abschließende Stellungahme des Beklagten, folgende aus Sicht des Klägers erhebliche Punkte (nochmals) hervorgehoben werden, insbesondere unter Bezug auf den letzten Schriftsatz des Beklagten vom 10.10.2014:
Der Kläger sei kein, so der Beklagte, (gewalttätiger) „Einzeltäter”; trotzdem wird in diese Richtung immer wieder 'Stimmung gemacht', wenn der Beklagte schriftsätzlich lanciert, der Kläger lehne Gewalt als Mittel nicht grundsätzlich ab, und jetzt im jüngsten Schriftsatz von gewaltbefürwortenden Äußerungen die Rede ist. Belegt wird dies in keiner Weise. Angesichts der absolut dürftigen Erkenntnisse (so auch schon der VGH Baden-Württemberg in seiner viel zitierten Entscheidung von 2007), die der Beklagte, soweit bisher bekannt, über den Kläger sammelt, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass auf diese Weise versucht werden soll, den Kläger zu diskreditieren und seine Beobachtung zu rechtfertigen.
Der Kläger bestreitet solche Äußerungen nachdrücklich. Der Beklagte möge dafür Beweis antreten.
Beispielhaft für die Argumentationsweise des Beklagten sind auch die Ausführungen zur Beteiligung des Klägers am Ostermarsch (Schriftsatz S. 5). Hier wird behauptet, der Kläger sei „Linksextremist" und mache deshalb mit der Teilnahme am Ostermarsch nicht lediglich von seinem Grundrecht auf Versämmlungsfreiheit Gebrauch!? Was und warum der Kläger stattdessen auf dieser Demonstration getan haben soll, wird nicht erläutert. Außerdem schien es bisher so zu sein, als belege die Erkenntnis über die Teilnahme am Ostermarsch verfassungsfeindliches Bestreben des Klägers - sonst bräuchte man sie ja nicht (und dürfte sie mangels gesetzlicher Grundlage auch gar nicht) zu speichem. Jetzt wird offenbar umgekehrt argumentiert: Der Kläger ist „Linksextremist”, deshalb muss alles, was er tut, beobachtet werden, insbesondere seine Teilnahme an einer (unverfänglichen) und behaupteter Weise nicht vom Beklagten beobachteten Demonstration, weil er dort eben nicht demonstriert, sondern ... ? Logisch begibt sich der Beklagte hier mindestens in die Nähe eines Zirkelschlusses. Seine Arbeitsweise wird dadurch immer fragwürdiger.
Jedenfalls kann danach die Teilnahme beispielsweise am Ostermarsch kein Anhaltspunkt für eine Bestrebung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung sein. Sie dürfte nicht gespeichert werden. Sie müsste allenfalls als unwichtig bewertet werden und Eingang in die „in Papierform geführten Sachakten” finden (vgl. Schriftsatz S. 3 oben). Wenn der Beklagte aber meint, solche unwichtigen Informationen nicht nur erheben, sondern auch sammeln zu dürfen, wenn auch nicht in Dateien zu speichern, müssten auf jeden Fall diese in Papierform geführten Sachakten vorgelegt werden, wenn es in diesem Verfahren um Löschung von Daten geht; denn gerade unwichtige Informationen stünden nach Ansicht des Klägers am ehesten zur Löschung an, weil hier viel dafür spricht, dass das Sammeln und Aufbewahren solcher unwichtigen Informationen nicht zulässig ist.
Hieran wird auch nochmals deutlich, dass bisher dem erkennenden Gericht keinesfalls alle Akten zum Kläger vorgelegt wurden, unabhängig von bislang gesperrten Aktenteilen, und der Beklagte die Pflicht zur Aktenvorlage gemäß § 99 VwGO in ein Recht umdeutet, selbst zu entscheiden, was dem Gericht an Aktenbestand überlassen wird.
Erklärtermaßen hat der Beklagte insoweit auch nach Zeiträumen differenziert und zeitliche Zäsuren gesetzt, was Sie, Herr Vorsitzender, bereits in der zusammengefassten Sachverhaltsdarstellung festgehalten haben. Dazu wäre ergänzend zu bemerken, dass in diesem Verfahren selbstverständlich der gesamte Zeitraum, über den der Kläger beobachtet wurde und wird, zur Debatte steht. Dies betrifft vor allem auch den Zeitraum vor 2002. Es mag sein, dass der Bescheid, mit dem der Beklagte damals dem Kläger auf Anfrage Auskunft über gespeicherte Erkenntnisse erteilt hat, in Bestandskraft erwachsen ist. Das ist aber lediglich eine formale Aussage, inhaltlich kann dies jedenfalls nicht bedeuten, der Zeitraum vor 2002 sei nun für den Kläger auf ewig verschlossen. Es kann — inzwischen — beispielsweise allein aus Zeitablauf ein Löschungsanspruch entstanden sein, der 2002 noch nicht gegeben war. Deshalb sind auch die früheren Daten Gegenstand dieses Verfahrens. Ein Löschungsanspruch liegt hier auch nahe, wenn man, erneut unter Bezug auf die frühere VGH-Entscheidung, inzwischen weiß, dass die Speicherung dieser früheren Erkenntnisse das Gericht damals äußerst befremdet hat. Schließlich werden diese Erkenntnisse auch deshalb erneut Gegenstand, weil möglicherweise diese Informationen, ggf. gerade die, über die nicht Auskunft erteilt wurde, die spätere und andauernde Beobachtung des Klägers rechtfertigen könnten.
Der Zeitraum von 2002 bis 2006 ist vom Beklagten völlig willkürlich bisher ausgespart, offenbar allein aus Bequemlichkeit, weil die Befassung damit zu aufwendig sei. Das ist schon gar nicht hinnehmbar.
Vorläufig abschließend möge die Aufforderung an den Beklagten erlaubt sein, seine Darstellung der AIHD zu belegen, „Autonome” seien „Linksextremisten” und propagierten eine Ordnung ohne Staat, und die Personen in der AIHD seien Autonome, weshalb sie und eben auch der Kläger den Staat und seine Ordnung bekämpften. Dies wird bestritten. Der Beklagte möge dies sachlich belegen. Der Bezug auf den Verfassungsschutzbericht des Bundesamts für Verfassungsschutz reicht — jedenfalls in diesem Verfahren — dafür nicht aus (vgl. Schriftsatz S. 4 Mitte), eher sucht der Beklagte damit schon wieder die Nähe zu einem weiteren Zirkelschluss.
Heiming, Rechtsanwalt